24.09.2024

Second-Hand-Kleidung schafft in Afrika Millionen Arbeitsplätze

Studie aus Ghana zeigt: 95 Prozent der Bevölkerung tragen gebrauchte Kleidung

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Wien, 24.09.2024 – Marlvin Owusu, Vorstandsmitglied der Ghana Used Clothing Dealers Association (GUCDA) und engagierter Second-Hand-Händler, stellte gestern in Wien die neue Studie des Verbands über die wichtige Bedeutung des Second-Hand-Markts für die afrikanische Wirtschaft, insbesondere für Ghana, vor. Die Veranstaltung, mitorganisiert von HUMANA Österreich, beleuchtete die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Dimensionen des Second-Hand-Handels in Afrika und bot zudem die Gelegenheit für ein Q&A mit Herrn Owusu. Besondere Relevanz gewinnt das Thema angesichts der Überlegungen der EU, Second-Hand-Exporte einzuschränken oder zu verbieten.

Die Studie zur Wirkung des Second-Hand-Handels auf die ghanaische Wirtschaft wurde von der Ghana Used Clothing Dealers Association (GUCDA) in Zusammenarbeit mit Dr. Stephen T. Odonkor vom Metropolitan Research and Education Bureau in Accra und E-volution International durchgeführt. Sie wurde im Zeitraum von Januar bis Mai 2024 in der Hauptstadt Accra sowie in weiteren ausgewählten Regionen Ghanas durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden 370 Einzelhändler*innen, 10 Importeur*innen und über 600 Konsument*innen des Kantamanto-Markts befragt, um einen umfassenden Überblick über die sozioökonomischen Auswirkungen des Second-Hand-Markts zu erhalten. Zusätzlich wurden 35 Abfallsammler*innen sowie verschiedene Schlüsselakteure, darunter Vertreter von Behörden und Umweltorganisationen, interviewt.

Versorgungslücken und die Bedeutung des Second-Hand-Handels
Owusu, der bereits in zweiter Generation das Geschäft mit Second-Hand-Kleidung in seiner Familie führt, betonte die zentrale Rolle dieses Sektors in Ghana. „Der Second-Hand-Handel ist tief in die wirtschaftliche und kulturelle Struktur Ghanas eingebettet. Rund 10 Prozent der Bevölkerung arbeiten in diesem Bereich, und der Sektor bietet für viele, insbesondere junge Menschen, eine wichtige Einkommensquelle“, erklärte Owusu.

Die Bedeutung des Second-Hand-Handels geht dabei weit über die Schaffung von Arbeitsplätzen hinaus. 95 Prozent der ghanaischen Bevölkerung tragen Second-Hand-Kleidung, der Sektor hat 2022 etwa 29,5 Millionen US-Dollar an Steuereinnahmen generiert. Diese Einnahmen überstiegen die Ausgaben der ghanaischen Regierung für wichtige Armutsbekämpfungsprogramme wie das Livelihood Empowerment Against Poverty (LEAP), welches rund 13 Millionen US-Dollar bereitstellt.

Lokale Textilproduktion und ihre Herausforderungen
Owusu wies darauf hin, dass lokale Produzent*innen die Nachfrage in Ghana nicht decken könnten und es die Versorgung durch Second-Hand-Kleidung braucht, da diese günstig und von guter Qualität ist. Die beiden Märkte, Second-Hand und lokale Produzent*innen, koexistieren außerdem problemlos. „Wäre das Second-Hand-Business nicht mehr da, müssten die Menschen auf billige Ware zurückgreifen, die dann Fast-Fashion-Ware aus China oder der Türkei wäre, da sie sich keine qualitative Neuware leisten können“, erläuterte er. „An Freitagen und Sonntagen kleiden sich die Menschen in traditioneller afrikanischer Kleidung, aber im Alltag dominiert Second-Hand-Ware.“

Die lokale Textilindustrie hat es aufgrund begrenzter Ressourcen und fehlender Infrastruktur schwer, den wachsenden Bedarf an Kleidung im Land zu decken. Hohe Investitionen in Maschinen, Arbeitskräfte und moderne Produktionsanlagen wären notwendig, um die Produktion auf ein Niveau zu bringen, das mit der Nachfrage mithalten kann.

Probleme mit der Abfallwirtschaft und Lösungsansätze
Ein zentraler Punkt der Studie war die Entkräftung des verbreiteten Missverständnisses, dass der Second-Hand-Handel gleichbedeutend mit dem „Abfallimport“ aus westlichen Ländern sei. „Wir sind nicht die Müllhalde Europas. Second-Hand-Kleidung ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der die Lebensgrundlage von Millionen Menschen sichert und den Menschen qualitative und erschwingliche Kleidung bietet. Pro Kopf werden nur etwa dreieinhalb Kilogramm Kleidung importiert“, so Owusu. Die Studie belegt, dass nur rund 5 Prozent der importierten Second-Hand-Waren in Ghana als Abfall betrachtet werden können, weit weniger als international häufig behauptet wird.

Darüber hinaus beleuchtet die Studie auch die Herausforderungen im Bereich Abfallmanagement und die Notwendigkeit einer besseren Recycling-Infrastruktur in Ghana. Owusu forderte Investitionen der inländischen Politik in die lokale Recyclingindustrie, um nicht nur Textilien, sondern auch anderen Abfall effektiver zu verarbeiten. „Die Second-Hand-Branche spielt eine wichtige Rolle im globalen Kreislaufwirtschaftsmodell und hilft, die negativen Auswirkungen der Fast-Fashion-Industrie abzumildern , da durch die Verfügbarkeit von Gebrauchtkleidung der Einkauf von Neukleidung / Fast Fashion zum Großteil ersetzt werden kann. So schafft das Second Hand Business 'Green Jobs' und eine 'More Sustainable Fashion'", führte Owusu weiter aus.

Zusätzlich betont Owusu, dass die Bildung der Bevölkerung im Bereich Abfallentsorgung verbessert und intensiviert werden muss, um ein Bewusstsein für Müllvermeidung und mehr Müllsammeln (anstelle des 'Littering') zu schaffen. Von Seiten der Europäischen Union erwartet der Second-Hand-Händler einen Fokus auf den Ursprung der Probleme: Es benötige Gebühren von den Herstellern von Fast Fashion für den Ausbau von Recycling- und Abfallbehandlungsanlagen auch in Afrika. 

Abschließend rief Owusu zu einer differenzierteren Betrachtung des Second-Hand-Marktes auf und unterstrich, dass dieser ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung, Armutsbekämpfung und eine nachhaltige, ressourcenschonenden Kleidernutzung in Ghana sei.

Fotocredit: ©Niklas Schnaubelt

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